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Bruce Dickinson: Der Sänger im CLASSIC ROCK Interview

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Bruce Dickinson: Der Sänger im CLASSIC ROCK Interview

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Ein „vorlauter kleiner Mistkerl“, der von einem Internat flog, wurde zum Anführer der erfolgreichsten Heavy-Metal-Band des Vereinigten Königreichs, trat als Fechter für sein Land an, erwarb eine kommerzielle Pilotenlizenz, veröffentlichte Soloalben, schrieb Romane und Drehbücher und machte noch vieles mehr. Ein erfülltes Leben? Offenbar nicht …

Bruce Dickinson hat ein Didgeridoo. Er besitzt das indigene australische Blasinstrument seit Jahren, hat es aber noch nicht gemeistert. „Ich bin ein paarmal ohnmächtig geworden, als ich versucht habe, das Kreislaufatmen zu machen“, gibt er zu. „Ich komme bis zum halbkreisförmigen Atmen und dann ist alles vorbei.“ Dickinson hofft, bald in Australien einige Tipps zu erhalten. Sein Psychologenfreund Kevin hat außerdem einen Deal ausgehandelt, der es ihnen ermöglicht, an einer Zeremonie teilzunehmen, zu der Nicht-Aborigines normalerweise keinen Zutritt haben. „Ich freue mich darauf, mehr von der Kultur zu erleben“, sagt er beiläufig.

Der ewig neugierige Dickinson ist gut gelaunt. Am 1. März veröffentlicht er ein neues Soloalbum, THE MANDRAKE PROJECT (das ihn mit seinem langjährigen Mitstreiter, Gitarrist/Produzent Roy Z, wiedervereint), begleitet von einer Tour und einer gleichnamigen Comicbuch-Serie. Man hört Dickinson im Iron-Maiden-Hauptquartier in West-London ankommen, bevor man ihn sieht. Diese vertraute Stimme tönt von hinter dem Pappkameraden des „Samurai Eddie“ hervor, der den Eingang bewacht, und dann erscheint ein kleiner Koloss in schwarzen Stiefeln mit einem eisen- grauen Zopf im Blickfeld. Seit Ende 1981 ist Dickinson das Gesicht von Iron Maiden, abgesehen von einigen Jahren für Soloprojekte und Selbstfindung. Dazwischen hat er Romane, Drehbücher und eine Autobiografie geschrieben, Radiosendungen moderiert, für sein Land gefochten, einen Verkehrspilotenschein erworben und bei der Erfindung eines Flaschenbiers geholfen. Nur die Wikinger sollte man besser nicht erwähnen. Mehr dazu später …

THE MANDRAKE PROJECT ist dein erstes Soloalbum seit 2005. Was hat dich abgehalten, abgesehen von Iron Maiden?
Es war seit 2014 in Arbeit. Dann wurde bei mir Kehlkopfkrebs diagnostiziert, dann kam fucking Covid, also gab es zwei Jahre, in denen ich nicht in die USA reisen konnte. Als ich mich dann endlich wieder mit Roy Z traf, hatte sich bereits alles weiterentwickelt.

Ist es also ein Pandemieprojekt?
Nicht wirklich. Ich hatte die Idee schon vor Covid, aber dann legte ich sie auf Eis, weil ich krank wurde und mit Maiden beschäftigt war. Doch während des Lockdowns saß ich da und dachte: „Was zum Teufel mache ich jetzt? Kochen lernen?“ Okay, aber es gibt nur so viele Leute, die ich vergiften kann: mich und [seine neue Frau] Leana. Also begann ich, eine Vorlage für eine Art „Vier Motorradfahrer der Apokalypse“-Geschichte zu schreiben, in der Eddie vorkam. Während des Prozesses lernte ich den Drehbuchautor Kurt Sutter kennen, der [das Biker-Drama] „Sons Of Anarchy“ und [die Polizeiserie] „The Shield“ geschrieben hat. Ich erzählte ihm von dieser anderen verrückten Idee für ein Drehbuch und er mochte sie.

Das ist sehr namhafte Unterstützung.
Ja, allerdings! Aber Kurt schlug vor, dass sich das Ganze statt für ein Drehbuch mehr für eine großartige Zeichentrick- oder Comicbuch-Serie eignen würde. Er empfahl, mit Z2 Comics zu sprechen, die mich mit einem Autor namens Tony Lee in Kontakt brachten, der „Dracula AD“ und „Doctor Who“ gemacht hat. Der schlug wiederum einen sehr angesehenen Cover-Künstler vor, Bill Sienkiewicz [„Marvel’s New Mutants“]. Also haben wir jetzt diese Serie im Stil von „Watchmen“, die in drei Bänden erscheinen wird.

Ist der Comic die Geschichte der Platte?
Nein. (lacht) Er ist damit verbunden, aber das Album hat ein eigenständiges Leben unabhängig vom Comic, und der Comic hat ein eigenständiges Leben unabhängig vom Album. Als ich mich wieder mit Roy Z zusammentat, haben wir [die erste Single] ›Afterglow Of Ragnarok‹ geschrieben. Ich dachte: „Mir gefällt der Titel, der Refrain, es ist alles gut, aber es hat überhaupt nichts mit dem Comic zu tun.“ Doch dann dachte ich, egal, denn die Platte ist kein Konzeptwerk. Das schränkt ein und man zwingt sich, Dinge einzufügen, nur damit sie ins Konzept passen.

War Ragnarök in der nordischen Mythologie nicht ein katastrophales Ereignis, das Tod und Pest über das Land brachte und alle Götter usw. tötete?
Ja, aber das Lied hat überhaupt nichts mit der nordischen Mythologie zu tun. Ich wusste, dass das ein Problem sein würde, denn sobald man „Ragnarök“ sagt, denken die Leute an Wikinger. Mir war sofort klar, dass das unglückliche Konnotationen hat, denn ich wollte nirgendwo in der Cover-Gestaltung von dem Ding einen fucking spitz zulaufenden Wikingerhelm tragen!

Worum geht es bei der Geschichte von THE MANDRAKE PROJECT?
Es zielt darauf ab, die menschliche Seele zu erfassen und Menschen von den Toten zurückzuholen. Die beiden Protagonisten sind Doctor Necropolis und Professor Lazarus. Sie sind wie eine moderne Version von [den Mördern aus dem 19. Jahrhundert] Burke und Hare und versuchen beide aus verschiedenen Gründen, die Toten zum Leben zu erwecken. Necropolis ist ein Waisenkind und ein digitales Genie, geplagt von der Stimme seines Bruders, der bei der Geburt starb. Er ist zudem besessen von [dem Okkultisten] Aleister Crowley und Sexmagie und will seinen Bruder aus der Unterwelt zurückholen. Professor Lazarus hingegen hat das Geheimnis des Mandrake-Projekts von seinem Vater erhalten und möchte ihn zurückbringen, wenn er stirbt. Am Ende wird klar, dass das Projekt den Tod besiegt hat, was eine Vielzahl von philosophischen Fragen aufwirft. Im Herzen des Comics steht die Frage: Ist das Universum wissenschaftlich oder poetisch?

Was meilenweit von ›Bring Your Daughter To The Slaughter‹ entfernt ist …
Ha! Dieser Song war sehr ironisch gedacht. Dann sagte Steve [Harris]: „Oh, das gefällt mir. Kann ich das haben?“ Ich antwortete: „Ähm, okay.“ Es ist echt eingängig, ich war mir aber nicht sicher, dass es ein Hit wird.

Du hast Iron Maidens ›If Eternity Should Fail‹ auf dem neuen Album als ›Eternity Has Failed‹ neu bearbeitet. Wenn du eine Songidee hast, weißt du dann, ob sie für Maiden oder ein Soloprojekt bestimmt ist?
Ich werfe alles in Steves Richtung. So funktioniert das. Dann dreht er sich um und sagt: „Ja, ja, ja, nein, nein, nein …“ Aber heutzutage schreiben wir tendenziell mehr im Studio, also denke ich mir gezielt Sachen für Maiden aus. Ich schreibe viel mit Adrian [Smith] zusammen. Steve nimmt vielleicht ein paar Ideen von Janick [Gers] und dann verschwindet er für zwei bis drei Wochen in sein kleines Erdloch. Dann taucht er plötzlich auf und sagt (imitiert Harris’ Stimme): „Ich glaube, ich hab einen.“ So haben wir das für SENJUTSU [2021] gemacht, ein fantastisches Maiden-Werk.

Bei Maiden musst du dich an Steves Texte und Riffs anpassen. THE MANDRAKE PROJEKT klingt, als wäre es für deine Stimme geschrieben worden.
Ja, das stimmt. Aber ich bin auch stolz darauf, zu Steves Riffs singen zu können. Das können nicht viele. Ich habe aber nie verstanden, warum er so verdammt schwierige Texte schreibt. Dann haben wir eines Tages geplaudert und es kam raus, dass die Worte dem Bass und dem Schlagzeug folgen. Ich versuchte schon früh, ihm zu erklären: „Sieh mal, Steve, ich werde meine vorderen Zähne verlieren, wenn ich das singen muss.“ Aber er ist im Lauf der Jahre Kompromisse eingegangen. Ich hätte davor nie gedacht, dass ich ›Alexander The Great‹ [von SOMEWHERE IN TIME, 1986] singen könnte, aber es hat dann doch gut geklappt.

Wer war der erste Sänger, der dich inspiriert hat?
Hundertprozentig Ian Gillan auf IN ROCK von Deep Purple. Ich kaufte ein Exemplar aus dritter Hand, das total verkratzt war, und kannte jede Note und jeden Kratzer darauf. Danach ging ich direkt zu [Purples] MADE IN JAPAN über, das eine der besten Liveaufnahmen überhaupt ist. Dann gab es da noch das erste Black-Sabbath-Werk. Auf Led Zeppelin bin ich erst später gekommen, nach ZEPPELIN II. Steve war ein großer Genesis-Fan, anders als ich. Van der Graaf Generator gefielen mir besser.

Man kann Parallelen zwischen deiner Stimme und Peter Hammill von Van der Graaf hören, aber ihre Musik ist fast verstörender Hardcore-Prog-Rock. Du musst bei deinen Freunden beliebt gewesen sein.
Absolut. (lacht) „Lasst mich nur diese Platte auflegen und den Raum leeren!“ Oder ich spielte sie einer potenziellen Freundin vor und fragte mich dann, warum sie sich aus dem Fenster gestürzt hat. Aber ich habe Van der Graafs H TO HE, WHO AM THE ONLY ONE und PAWN HEARTS rauf und runter gespielt, zusammen mit Purple und Sabbath. Eine ägyptische Mumienmaske, eine alte Fliegermütze, die Uniform eines Soldaten von der „Attacke der Leichten Brigade“ …

Woher kam der theatralische Bruce?
Nach Deep Purple bin ich auf Jethro Tull gestoßen und mochte Ian Andersons Texte und Präsentation. Das steckt also auch drin. Aber eigentlich war es Arthur Brown [berühmt für den Hit Fire‹ und seinen brennenden Kopfschmuck]. Arthur ist absolut verantwortlich für dieses opernhafte Ding, und er war ein echter Showman. Deshalb habe ich ihn als Erzähler auf [Dickinsons fünfter Soloplatte] THE CHEMICAL WEDDING engagiert. Ich war ein Riesenfan von Arthur.

Beim Lesen deiner Memoiren scheint es, als wäre das Internat eine gute Lehrzeit für das Banddasein gewesen.
Wenn man die Privatschule Oundle aushält, übersteht man auch das Leben bei Iron Maiden. Schwer zu sagen, ob einem das Internatsleben hilft, mit Menschen zurechtzukommen. Menschen auf Internaten sind nicht … wie soll man das ausdrücken … normal.

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Betrachtest du dich selbst also als unnormal?
Möglicherweise. Aber ich war 13, als ich nach Oundle ging. Viele der Kinder lebten schon dort, seit sie fünf oder sechs Jahre alt waren, also waren sie komplett institutionalisiert. 13 ist ein wichtiges Alter, aber ich hatte keinen Schimmer, wie die Dinge an dieser Schule liefen. Natürlich wurde ich ständig verprügelt, weil ich mich geweigert habe nachzugeben, denn ich war ein vorlauter kleiner Mistkerl.

Was passierte dann?
Letztendlich flog ich von der Schule [nachdem er vor einem formellen Abendessen in die Bohnen des Schulleiters uriniert hatte], wahrscheinlich das Beste, was mir je passiert ist. Dann ging ich auf eine „normale“ Schule in Sheffield. Ich dachte, diese Leute sind in Ordnung, da wartete niemand nachts darauf, mich in den Gängen zu vermöbeln. Das Problem bestand nur darin, dass es noch sechs Monate bis zu meinem Abitur waren, und ich tat überhaupt nichts dafür.

Was hast du stattdessen gemacht?
Ich hatte an der Oundle nach einem anderen Lehrplan gelernt, also sagten mir die Lehrer, es hätte keinen Sinn für mich, zum Unterricht zu kommen, ich solle einfach in der Bibliothek sitzen. Da saß ich dann also und schrieb Texte für [seine zukünftige Band] Samson. Lustigerweise fand ich ein Buch über die nordische Mythologie und nahm direkt fünf Zeilen daraus für das Samson-Lied ›Hammerhead‹. Mit drei Fünfern schaffte ich es gerade noch an die Universität, weil ich ein bedingungsloses Angebot hatte.

Was hättest du gemacht, wenn du kein Rocksänger geworden wärst?
Ich war vier Jahre lang bei den Armee-Kadetten, und das nahm ich total ernst. Aber ich glaube, die Army hatte Glück, dass ich nicht eingetreten bin. Ich habe nie an die Royal Air Force gedacht [obwohl Dickinson heute eine Pilotenlizenz hat und ehrenhalber zum „Group Captain“ der Air Force ernannt wurde], weil ich schlecht in Mathe war und glaubte, nie reinkommen zu können. Doch an der Queen Mary University [in London] wollte ich dann nur noch Sänger in einer Band sein. (Aus CLASSIC ROCK 127)

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