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W.A.S.P.: Es ist doch nur verdammter Rock’n’Roll

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W.A.S.P.: Es ist doch nur verdammter Rock’n’Roll

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Gehetzt von selbsternannten Hütern der unverdorbenen Jugend, verfolgt von religiösen Gruppen und angeschossen, hätten W.A.S.P. aufgeben können. Doch nach 40 Jahren „sind wir immer noch hier“, wie Bandboss Blackie Lawless sagt. „Und ich bin mir sicher, dass einige Leute darüber nicht sehr glücklich sind.

Blackie Lawless wusste, dass die Dinge aus dem Ruder gelaufen waren, als jemand versuchte, ihn zu töten. Es war 1985 und das Mastermind hinter den kontroversen Schockrockern W.A.S.P. war Amerikas neuester Lieblings-Buhmann. Warum die puritanische Rechte so großen Anstoß an Lawless und seiner Band nahm, ist nicht wirklich klar. Vielleicht lag es daran, dass ihr Name angeblich für „we are sexual perverts“ stand. Oder dass ihre erste Single ›Animal (Fuck Like A Beast)‹ eine lechzende Ode an den Sex war, auf deren Cover Lawless’ Schritt in Nahaufnahme zu sehen ist, bedeckt von einem lächerlichen Kreissägen-Lenden-schurz.

Es könnten aber auch ihre berüchtigten Konzerte gewesen sein, bei denen Oben-ohne-Models an Gerüste gefesselt waren und der Frontmann rohes Fleisch ins Publikum warf. Aber wer weiß … Doch zurück zu diesem angeblichen Mordversuch. Lawless hatte damals ein Haus in den Hollywood Hills, umgeben von Büschen und Gestrüpp. An jenem Tag schlenderte er mit seinen 1,94 nach draußen und sah 30 oder 40 Meter entfernt irgendeinen Typen, der ihn beobachtete. Als er bemerkte, dass Blackie ihn gesehen hatte, sprang er ins Gebüsch. „Seltsam“, dachte sich Blackie, als er in einen 1967er Jaguar E-Type stieg, den ihm seine Verrufenheit gekauft hatte, und ihn anließ, um ins Studio zu fahren, wo W.A.S.P. gerade ihr zweites Album THE LAST COMMAND aufnahmen.

Als er auf den Freeway fuhr, wurde es jedoch brenzlig. Als die Tachonadel 55 Meilen [88 km/h] erreichte, löste sich eines seiner Vorderräder und rollte vor ihm weg. Der Wagen begann, über alle vier Spuren zu schleudern, und während Lawless mit dem Lenkrad kämpfte, sah er im Rückspiegel, dass ein Schwerlastwagen auf ihn zu donnerte. „Das war’s“, dachte er, „genau hier werde ich sterben.“ Doch das tat er nicht. Er trat auf die Bremse, der Trucker trat auf die Bremse, überall war Rauch, und nach ein paar panischen Sekunden kam der Jaguar zum Stillstand, ebenso wie – wundersamerweise – der Lkw.

Der Abstand zwischen den beiden betrug nur wenige Meter. Als Blackie Lawless den Wagen dann in eine Werkstatt zu einem Mechaniker brachte, den er kannte, servierte der ihm die schockierende Nachricht : „Die Räder wurden sabotiert. Du solltest tot sein“. Heute, fast vier Jahrzehnte später, blickt Lawless entspannt auf diesen vermutlichen Anschlag auf sein Leben zurück: „Ich würde sagen, die meisten Fans sahen das, was wir machten, als radikal. Vielleicht zehn Prozent erkannten den Humor darin. Doch die ältere Generation betrachtete uns als etwas absolut Gefährliches und fand, dass man uns aufhalten musste.“

Doch nicht nur mörderische Religionsfanatiker missverstanden W.A.S.P. Die ganze Welt versteht sie seit über 40 Jahren nicht wirklich. Klar, in ihrer frühen Fleisch-und-Lendenschurz-Inkarnation stellten sie das Paradebeispiel für Donner und Verdammnis des 80er-Metal dar – ein aufgedrehtes Marvel-Comic-Update von Alice Coopers clever subversivem Schockrock aus dem Jahrzehnt zuvor. Doch W.A.S.P. waren viel mehr als die blutgetränkten Rüpel, als die sie schon so lange dargestellt werden. Sie konnten sich dumm stellen, wenn sie mussten – Hits wie ›Wild Child‹, die Rednecks provozierende Trinkhymne ›Blind In Texas‹ sowie ›Mean Man‹ sind breitbeinige 80s-Metal-Knaller, denen das Hirn aus der Hose hängt.

Doch sich dumm stellen und dumm sein, sind zwei paar Schuhe. Mötley Crüe, die Herzallerliebsten, standen an der Spitze im Medaillenspiegel der Trottelolympiade des Heavy Metal. W.A.S.P. hingegen waren die cleverste dumme Band des Planeten. Beweisstück A zu ihrer Verteidigung: ihre Musik. Die Singstimme von Lawless mag klingen, als würde er sich zum Frühstück Schmirgelpapier-Smoothies reinkippen, doch er wuchs mit den Beatles und The Who auf und deren melodisches Genie hört man auch in den besten Songs seiner Gruppe.

„Ich habe oft gesagt, dass W.A.S.P. im Wesentlichen eine elektrische Version der Everly Brothers sind“, was gar nicht so lächerlich ist, wie es klingen mag. „Unsere Sachen basieren auf diesen zweiteiligen Harmonien. Bis heute kannst du dir unsere Platten anhören und alles ist harmoniebasiert.“ Beweisstück B: Lawless selbst. Wie bei Arthur Brown, Alice Cooper oder allen anderen, denen ein Revolverblatt jemals den Begriff „Schockrocker“ vor ihren Namen geschoben hat, steht eine scharfe Intelligenz hinter dem ganzen Brimborium. Und Lawless war klug genug, um zu wissen, wann die Zeit gekommen war, das hinter sich zu lassen: Er stieß seine Kritiker vor den Kopf, als er 1989 das äußerst erwachsene, (fast) schockfreie THE HEADLESS CHILDREN veröffentlichte, ein Album, das nach wie vor als eines der großen unbesungenen Meisterwerke aus jener Ära gelten darf.

Und doch verblichen Ruf und Ruhm von W.A.S.P. nach den 80ern. Sie wurden nie so groß wie Mötley Crüe, geschweige denn Guns N’ Roses, eine Band, auf die sie zweifellos viele unschuldige Ohren vorbereitet hatten. Doch im Gegensatz zu diesen beiden Gruppen machten sie weiter mehr oder weniger regelmäßig großartige Platten – DOMINATOR von 2007 oder GOLGOTHA von 2015 konnten den Oldschool-Klassikern wie dem selbstbetitelten Debüt von 1984 oder dessen Nachfolger THE LAST COMMAND absolut das Wasser reichen. „Wir sind immer noch hier“, so Lawless. „Und ich bin mir sicher, dass einige Leute darüber nicht glücklich sind.“

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