Und so war es: Das Punk-Publikum flippte bei AC/DC und ihrer energiegeladenen Performance komplett aus! Bald folgte der erste Gig im ausverkauften Marquee Club, wo einst die Rolling Stones, The Who und Led Zeppelin ihre Karrieren begonnen hatten. Wieder brachte die neue Band aus dem fernen Australien die Meute zum Ausrasten. AC/DC waren eben lauter und härter als all die anderen und selbst eingefleischte Punks akzeptierten sie. Folglich versah ihr neues Majorlabel Atlantic Records die AC/DC-Platten mit einem Sticker: „ORIGINAL PUNK ROCK FROM AUSTRALIA“. Malcolm verstand das nicht, denn „wir sind Rock’n’Roller“.
Aber er wollte es sich mit der großen Plattenfirma nicht gleich verscherzen und ließ es zu. Besonders Leadgitarrist Angus, 1,57 m geballte Energie, fiel auf mit seiner Schuluniform samt Kappe, Krawatte und kurzen Hosen. Während er elektrisierende Riffs in die Saiten haute, ließ er sich auf die Knie fallen, um dann rücklings auf dem Bühnenboden zu rotieren, ohne dabei auch nur eine Note auszulassen. Er bewegte sich im Entengang („Duckwalk“) seines Vorbilds Chuck Berry über die Bretter und rockte mit jeder Faser seines schmächtigen Körpers. Seine unglaubliche Energie übertrug sich aufs Publikum. Das einzige, was die Rockband AC/DC in diesem Moment vom Punk unterschied, waren die Blueseinflüsse in Songs wie ›Live Wire‹, ›The Jack‹ und ›TNT‹ – und die atemberaubenden Gitarrensoli. Angus Young, damals 21, war der kleine Derwisch, der neben dem charismatischen Sänger Bon Scott alle in seinen Bann zog. Malcolm verfolgte das Geschehen mit zufriedener Miene aus dem Hintergrund. Im September 1976 folgten dann die ersten Auftritte in Deutschland, wo die Band von Beginn an frenetisch gefeiert wurde.
Der deutlich ältere, lebens- und liebeserfahrene Frontmann Bon Scott hatte immer eine ganz besondere Rolle im Leben von Malcolm und Angus gespielt. „Im Herbst 1974 hatten wir ein paar Pub-Gigs in Adelaide, wo Bon seinerzeit lebte“, blickt Angus zurück. „Er war zu jener Zeit Sänger bei Fraternity. Der Besitzer des Pubs, in dem wir auftraten, kannte Bon und bat ihn, uns die Gegend zu zeigen. Also kutschierte uns Bon rum. Er fuhr Auto wie der Teufel, und das, obwohl er gerade einen schweren Motorradunfall hinter sich hatte. Er war ein Draufgänger, aber wir verstanden uns auf Anhieb und sahen in ihm einen großen Bruder. Also fragten wir Bon, ob er nicht bei AC/DC singen wolle, denn unser Sänger Dave Evans dachte, er sei Gary Glitter und passte nicht wirklich zu uns. Bon, das Schlitzohr, hatte mitbekommen, dass wir in Kürze mehrere Gigs im fernen Westaustralien spielten und dafür drei Tage durch die Wüste fahren mussten. Darauf hatte er keinen Bock. Fragt mich, wenn ihr wieder zurück seid, meinte er. Das taten wir und er sagte zu. Erst mit Bon wurden wir cool und zu einer echten Band.“
Bis zu jenem schicksalhaften 19. Februar 1980, als Bon nach durchzechter Nacht im Wagen seines Freundes Alistair Kinnear in East Dulwich, London, tot aufgefunden wurde. Angus erinnert sich: „Bons Freundin Silvia rief mich völlig aufgelöst an und berichtete von Bons Tod. Wir waren damals alle in London, um in den E-Zee-Hire Rehearsal Studios Demos für den HIGHWAY TO HELL-Nachfolger aufzunehmen. Bon, gelernter Schlagzeuger, kam ins Studio und spielte aus Gag Drums auf einer frühen Version von >Have A Drink On Me‹, ausgerechnet. Und plötzlich war er weg! Bon war aber keineswegs so selbstzerstörerisch, wie er oft dargestellt wurde. Er liebte das Leben, trank viel, aber er verpasste nie eine Show! Egal, wann und in welchem Zustand er nachts ins Bett ging, am nächsten Morgen war er fit!“
BONS TOD – EIN KOLLEKTIVER SCHOCK
Sein Tod versetzte die Rockwelt in einen kollektiven Schock. In knapp sechs Jahren bei AC/DC war Bon Scott zur Kultfigur geworden. Er war Rock’n’Roller durch und durch, einer, der mit seinem kompromisslosen Lebensstil die Kerze sprichwörtlich an beiden Enden ansteckte – und nicht überlebte. Angus und Malcolm, die die Band 1973 ins Leben gerufen hatten, wollten alles hinschmeißen, jetzt, auf ihrem ersten Karrierehöhepunkt. Mit dem damals aktuellen Album HIGHWAY TO HELL und Hits wie ›Touch Too much‹ hatten AC/DC erstmals auch in den USA großen Erfolg, in Europa waren sie bereits Superstars. Doch zu groß war der Schmerz, zu groß die Lücke, die der Sänger hinterließ. Ohne Bon ergab alles keinen Sinn mehr.
Nach seiner Beerdigung am 1. März 1980 in Fremantle/Australien, waren es Bons Eltern, die die Brüder Young ermutigten, weiterzurocken: „Ihr müsst weitermachen! Unbedingt! Sucht euch einen neuen Sänger. Bon hätte es so gewollt!“ Eindringliche Worte, mit denen Charles Belfort Scott und seine Frau Isabelle die Brüder Angus und Malcolm dazu bewegen konnten, ihre Karriere fortzusetzen – trotz all der Trauer, die gerade herrschte.
In Brian Johnson aus Newcastle, der mit seiner Band Geordie bei Konzerten sogar ›Whole Lotta Rosie‹ gecovert hatte, fanden sie einen geeigneten Nachfolger. Kurios: Bon selbst hatte Malcolm und Angus noch von diesem Sänger aus dem Nordosten Englands erzählt, „einem echten Showtier“.
Bon hatte ein Konzert von Geordie gesehen und schwärmte von Brian, weil er singen konnte wie Little Richard. Und immerhin war Little Richard Bons großes Vorbild, der Vergleich also eine Art Ritterschlag. „Dieser Brian soll sich die Seele aus dem Leib geschrien und sich sogar auf dem Bühnenboden rumgewälzt haben! Er hat Bon beeindruckt und das will was heißen“, so Angus. Was Bon Scott allerdings nicht wissen konnte: Brian, genannt „Jonna“, war bei jenem Gig trotz akuter Blinddarmentzündung auf die Bühne gegangen – und auf dem Boden wälzte er sich nur, weil er plötzlich höllische Bauchschmerzen bekam…
UNVERGESSLICHE MOMENTE IN DER GESCHICHTE DES ROCK
Brian Johnson war jetzt also Bons offizieller Nachfolger bei AC/DC. Schon kurz nach der Verpflichtung ging die Band mit Erfolgs-Produzent Mutt Lange ins Studio. Aus Steuergründen wählte man Nassau auf den Bahamas als Aufnahmeort. Kaum war die Band gelandet, tobten schwere Tropenstürme über die Insel und die News berichteten, dass ein durchgeknallter Machetenmörder dort sein Unwesen trieb. Brian Johnson fühlte sich ziemlich unwohl, versuchte aber, das Beste aus der unbehaglichen Situtation zu machen – einen Songtext!



